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Eurodisney: Ein Abenteuerurlaub

Ein Reisebericht von Titus Simon
"Ein Jahrhundert später rächten
sich die Amerikaner bitter an den
Franzosen, indem Sie ihnen das
schenkten, was sie für das höchste
Gut hielten: Disneyland."
Zur Hundertjahrfeier der amerikanischen Unabhängigkeit stifteten französische Geschäftsleute dem jungen Staat an der anderen Seite des Atlantiks eine Statue, die das Wichtigste im Leben der Europäer symbolisierte: die Freiheit. Seither ziert diese die Hafeneinfahrt von New York. Ein Jahrhundert später rächten sich die Amerikaner bitter an den Franzosen, indem Sie ihnen das schenkten, was sie für das höchste Gut hielten: Disneyland.
Nachdem das Milliardenprojekt in der Nähe von Paris aus dem Boden gestampft worden waren, stellte sich jedoch schnell heraus, daß die Europäer von der Außenstelle der USA wenig begeistert waren. Die Besucher blieben aus. Wir fuhren hin, um herauszufinden warum.
Nach fast 600 Kilometern Fahrt und 33 DM Autobahngebühren erreichten wir das "Euro Disney Resort", bestehend aus dem Themenpark, 5 Hotels, der "Davy Crocket-Farm", dem "Festival Disney" und einem Golfplatz. Wir bezogen unser schönes Zimmer in der "Sequoia Lodge", einem typisch amerikanischen Berghotel mit drei Sternen, und machten uns sofort auf den Weg durch das weitläufige Gelände in den Themenpark, dem eigentlichen "Eurodisney".
Die Anlage entspricht etwa dem "Magic Kingdom" von "Disneyworld" in Florida. Rund um das Märchenschloß gruppieren sich fünf verschiedene Bereiche: das "Frontierland" mitten im Wilden Westen, das "Adventureland" voller Piraten und Geheimnisse, das "Fantasyland" mit Märchen und Zeichentrickfiguren, das "Discoveryland" mit der Welt von Morgen und "Main Street, USA" der universellen Laden- und Lokalpassage. Absolute Highlights sind das 360 Grad-Kino, "Captain EO" (Michael Jackson in 3D, ein optisch opulentes Lifting ohne Schnitte), die Achterbahnen im "Big-Thunder-Mountain" und im "Indiana-Jones"-Abenteuer, der Horror von "Phantom-Manor" und die Bootsfahrt durch "It's a Small World" sowie das "Star Wars"-Adventure. Die neueste Attraktion ist folgerichtig der "Discovery-Mountain", eine Achterbahn an der dunklen Seite der Macht.
"Wegen des in dieser Gegend
typisch schlechten Wetters war der
Themenpark kaum besucht, so daß
wir alle Attraktionen nach
Herzenslust genießen konnten,
zumindest die, die geöffnet
waren."
Wegen des in dieser Gegend typisch schlechten Wetters war der Themenpark kaum besucht, so daß wir alle Attraktionen nach Herzenslust genießen konnten, zumindest die, die geöffnet waren. Der Regen trieb uns jedoch bald zurück ins Hotel, wo wir erst einmal essen wollten.
Ein wenig frustriert von den hohen Preisen (50 DM für ein Abendessen plus Getränke) entschieden wir uns für eine preiswertere Lösung. Der halbrohe Cheeseburger für 17 DM stellte uns allerdings ebenso wenig zufrieden, wie das Huhn im trockenen Brötchen mit halbgaren Kartoffeln für 20 DM. Die reichhaltige Auswahl an amerikanischen Weinen (in Frankreich!) und Bieren (0,33 für 8 DM) konnte uns auch nicht trösten.
Ebensowenig das Ambiente. Bei 5 Grad Außentemperatur lebte hier die amerikanische Unsitte der tiefgefrorenen Getränke und zugkräftig kalten Klimaanlagen voll auf. Die musikalische Untermalung hatte immerhin beides: Country und Western. Mit triefenden Nasen schlichen wir in die Bar, die aber bereits bis auf den letzten Platz von der französischen Telecom (einem der Hauptsponsoren) besetzt war.
"Wozu hat man denn einen
Fernseher auf dem Zimmer, der
Disneyfilme zeigt? Also sahen
wir "Fantasia", zumindest
bis der Fernseher den
Geist aufgab."
Wozu hat man denn einen Fernseher auf dem Zimmer, der Disneyfilme zeigt? Also sahen wir "Fantasia", zumindest bis der Fernseher den Geist aufgab. Das war aber nicht so schlimm, denn kurz darauf fiel sowieso der Strom für zwei Stunden aus. In einem richtigen Berghotel kann das auch passieren, aber da hätte wenigstens jemand eine Kerze gebracht.
"Fantasia" konnten wir ja auch am nächsten Tag sehen, genau genommen an jedem Tag und zu jeder Zeit, weil es der einzige Film bleiben sollte, der überhaupt gezeigt wurde.
"Nicht, daß wir ständig nur ans
Essen dachten, aber die
Fortbewegung durch die weitläufige
Anlage macht Appetit."
Das beste am amerikanischen Essen ist bekanntlich das Frühstück. Deshalb gibt es im Euro Disney auch "Continental Breakfast". Und das gab es jeden Tag in völlig identischer Zusammensetzung: Kaffee oder Tee, verdünnter Orangennektar, Croissant, Brötchen, Erdbeer- und Aprikosenmarmelade. Kein Ei, kein Müsli, kein Käse, kein Obst. Und das alles für 150 DM pro Nacht und Nase.
Der Themenpark konnte den schlechten Eindruck der Hotels nur mühsam auffangen. Auch hier gab es teuren Fastfood an allen Ecken und für ein anständiges Essen mußte man wenigstens 50 DM anlegen. Nicht, daß wir ständig nur ans Essen dachten, aber die Fortbewegung durch die weitläufige Anlage macht Appetit. Den allgegenwärtigen Hamburger entgeht man am besten im "Blue Lagoon Restaurant" (gutes Essen, aber warm anziehen!) oder im "Fuente del Oro" (die Chilies und Nachos sind köstlich).
Abends kehrt man den Hotels am besten den Rücken und geht zum Speisen ins "Festival Disney", eine dem Themenpark vorgelagerte Vergnügungsmeile. Insbesondere das Seafood-Restaurant "Key West" sollte man besuchen, wenn man schon mal da ist.
"Besuchen Sie also das
Phantasialand, solange es das
noch gibt."
Untern Strich verschlingen Hotel, Eintritt, Anfahrt und Verpflegung etwa 250 DM pro Tag und Person. Das ist es einfach nicht wert. Für etwas mehr Geld kann man gleich nach Florida fliegen und das größere, bessere und deutlich preiswertere Original bewundern.
Für etwas weniger Geld (etwa 50 DM pro Nase) kann man auch ins Phantasialand bei Brühl fahren. Die Attraktionen können durchaus mithalten, einige sind sogar besser als vergleichbare im Eurodisney. So steckt "Galaxy" das "Star Wars"-Adventure mühelos in die Tasche. Besser noch: das Phantasialand liegt ganz in der Nähe, bietet den Besuchern nicht nur Fast Food-Kultur und ist vergleichsweise umweltfreundlich. Was in Eurodisney riesige Plastikmüllberge verursacht, ist im Phantasialand sehr gut durch ein Pfandsystem und kompostierbare Verpackungen geregelt. Besuchen Sie also das Phantasialand, solange es das noch gibt. Erstaunlicherweise erholt sich das teure und schlechte Eurodisney von seinen Milliardenverlusten und das nähere, bessere und preiswertere Phantasialand droht in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. Das Leben ist also wiedermal wie das Privatfernsehen. Aber das ist eine andere Geschichte.

© Titus Simon, Bonn 1996