TAGEBUCHEINTRÄGE AUS DER ENTZUGSKLINIK

3.11.2017: Mann mit Kippe im trockenen Mundeck, welches einem Oktagon gleich den Filter zu umschließen droht. Die Kippe ist nicht Kippe, denn sie ist Geäst, ist Geflecht, geflochten aus dem Tabakmosaik. Nimmermehr möchte ich Pangea in deinen Hirnrinden demontieren. Der blasse Mann an unserer Ecke ist sich seines Tumors bewußt, und mit bittersüßem Lächeln sieht er ihm beim Aufstoßen im Bierschaum zu. Schießt eure weichen Denkmassen Geschossen gleich zu fremden Jupitern. Wir haben sie nicht verdient. Löchern in Armen, Beinen, Armen, Beinen, Armen, Beinen, sie sind Korridore, Korridore, Korridore, wir durchstreifen, durchschreiten unser Selbst. Komm und eröffne mir dein pränatales Dreieck, welches Ich dann, einer Auster gleich, nach Perlen durchforste.
Er lächelte mir permanent zu, begegnete mir oft, wenn ich die düsteren Gänge der Klinik hinabritt. Bevorzugt ritt ich damals auf pechschwarzen Schimmeln, es war meine Zeit den Oxymorons Opfergaben dar zu bringen. Ritt ich nicht, so flog ich, flog ich nicht, so schwamm ich unergründet, unterirdisch. Unverfroren erfriere ich alltäglich, jeden Morgen, im Angesichte der versteinerten Aussicht auf die Anachronismen meines Könnens. Ich hatte eine bewundernswerte Aussicht vom dritten Stockwerk, welches anschmiegsam auf dem zweiten saß. Die Klippen, messerscharf, ergossen sich in die Tiefe, das Meer milderte diesen Sturz. Wenn ich nicht, von Schmerzen in Besitz genommen, wie Jerusalem, Todesschreie von mir gab, denn die Entgiftung war der Horror, dann beobachtete ich diese wunderbar anmutige Szenerie. Der Rest des Gebäudes war fad, uninteressant. eben der Prototyp eines Klinikums. Gepeinigt von diesen Schmerzen, Mischungen aus physischen und psychischen Schmerzen, und meinen Bildern, Träumen in Technicolor, verbrachte ich eine sehr introvertierte Zeit. Diese Aussicht bot den edlen, glatten Hintergrund. Mitbewohner, bist jetzt Nada. Mein dickes finanzielles Federbett, verhalf mir zu dem Privileg des Einzelzimmers. Komisch, ich zeichne diese Gedanken jetzt, im Augenblick auf, Buchstaben flimmern auf dem matten Bildschirm. Dennoch bediene ich mich des Tones der Vergangenheit, wahrscheinlich eine Gewohnheit, die ich mir im Laufe meiner Prosa erworben habe. Das Terrain, welches meine Insel umgibt, ist schroff, beschwerlich zu erkunden, zu steil. Kantige Winde, geformt wie eben jene Oktagons, Schneiden in meine dünne, dünnere, filigrane, durchbrochene Haut, und legen Adern bloß. Da meine Adern, von Zeit zerfressen, hart wie Speere sind, und meine Haut aus eigener Kraft durchstoßen, ist dies kein wahres Hindernis. Doch die Wächter, in dunklen Uniformen, mit messerscharfen Augen, technisch verstärkt, verhindern meine Spaziergänge. So bleiben Einem nur noch die Spaziergänge im Selbst. Im Ich, Im Innen, Im seelischen Wohnzimmer, Im Bauch, Leber, Niere, Herz, Hirn, Hirnanhangdrüse.

5.11.2017: Neonlicht, erschöpft verfärbt ergießt sich über meine hohlen Wangen, über spitze Wangenknochen. Die Kacheln des Bodens entledigen sich ihrer Form, wie schwangere Damen ihres Kindes. Sie pellen sich aus ihrer aufdoktrinierten Form des Quadrates und überfluten mich, den erlösenden Wellen gleich, wie ein kühler Ozean aus flüssigem Marmor. Ich wünschte sie wären warm und umhüllend, wie ein schützender Mantel. Aber Nein sie umspielen zunächst nur meine Füße, um dann den ganzen Körper, mein Fleisch, hinfort zu tragen, den Gang hinab. Der Marmor, kühl, wie das ewige Eis, dringt in meine Atemwege, füllt mich innerlich. Mein Inneres, meine Seele, wo ist sie lokalisiert??, wird von Marmor, weiß, wie die Unschuld, ergriffen. Ich werde entleert, das Gebäude atmet, lebt, lebt ein Leben, vollführt den Totentanz. Ich bin im Magen, im Darm eines Biestes gefangen. Ich unterliege der Prozedur der Verdauung. Ich sehe meinen Eingeweiden zu, wie sie aus meinem Körper gezogen werden, und der Fluß trägt sie hinab der Kanalisation der Ewigkeit entgegen. Ich hingegen, Ich bin voll von Marmor, der sich allmählich erhärtet, und mich zum Götzenbild stilisiert.
Schweiß bedeckt meine dünne Haut, die Feuchtigkeit durchdringt meinen Pyjama. Ich sitze, vollkommen zusammengekauert auf dem Gang, die Realität, oder, daß was allgemeingültig als Wirklichkeit anerkannt wird, scheint wieder dominierend zu sein. Scheiße Mann, was für ein übler Trip. Seit die Jungs hier mir den Stoff entzogen haben, sind die Visionen viel intensiver, viel dreckiger. Sie begreifen es einfach nicht, Sie denken, daß wenn sie mich sauber kriegen, daß ich einen geradlinigen Weg beschreiten könnte. Doch der Stoff, der Rausch war es gewesen, der es gehemmt hatte. Meine Phantasie ist der Übeltäter. Ich brauchte Dinge, die diese betäubten, abtöteten. Kein Trip konnte so übel sein, wie der Trip den mein Hirn fähig war zu produzieren.
Langsam beruhigte sich mein Atem wieder. Ich erhob mich, in welchem gottverdammten Trakt dieses Riesengebäudes war ich nur?? Ich hatte keine Ahnung. Ich mußte den Weg finden. Ich hatte überhaupt Glück, daß mich noch keine Wache, oder Aufseher, oder wie die sich hier nannten, erwischt hatte.

Schluß jetzt, Ich mach mich besser auf den Weg.

6.11.2017: Gott, Sohn der Explosion im Mutterleib von Xenia. Schutz suchend in den Händen der verkleideten Pharisäer. Sie kommen und holen mich, bringen mich später zurück. Umstrukturierung, Wundermittel des Orions. Geäst des Tabakmosaiks, Unendlich in den Rinden meines Herzen. Ich habe die Liebe geköpft, und Sie ist keine Hydra.

JESCO DAUGIRD