Verbotene Klons

(geschrieben am 22.9.1998 von Young-Mi Kuen)
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Einmal erzählte einer, daß es für ihn das Größte sei, in einer Soapopera mitzuspielen. Egal was, auch wenn es nur eine Mi-nute wäre, in der er nichts von sich gäbe.
Ich versuchte, nicht gleich meinen arroganten Blick aufzusetzen und sagte nur: "Aha."
Mehr fiel mir dazu nicht ein. Ich konnte mir nicht vorstellen, was so toll daran sein könnte, in einer Serie von Babsis und Pe-ters mitzuspielen, dumm grinsend in die Kamera zu schauen, während man so glaubwürdige Lebensweisheiten von sich gab "Ja, das Leben ist eine Partiee, laßt uns eine Partiee machen!".
Peter, er heißt wirklich so, erzählte weiter: "Ja, nur einmal die Conny küssen, nur einmal in "Verbotene Klons" mitspielen, nur einmal gut und schlecht sein. Mensch, weißt du eigentlich, wie viele Leute sich das jeden Tag angucken?"
Nein, wußte ich nicht, interessierte mich nicht, gucke ich nicht und würde meinen Alkoholkonsum nur erhöhen, wenn ich es wüßte.
Peter mit geröteten Wangen weiter: "Das allergeilste wäre ja, wenn ich auch auf so ´ner CD mit drauf wäre."
CD? Ich weiß, diese CDs, wo man dann ein Pappmännchen aufmacht, das einem quietschvergnügt einen Spritzer "Gute Klons, schlechte Klons"-Geruch ins Gesicht spuckt. Das sind dann die richtigen Partiehits, mit denen eine Party gar nicht schlecht drauf kommen kann. Da muß man einfach Spaß haben und Partie machen...
Grinsende Gesichter, die sich einen Kuß ohne Zunge entgegen hauchen.
Genau das hat mir noch gefehlt, genau das brauche ich, um gut drauf zu kommen.
Peter weiter: "Ja, und in so `nem Magazin erst..."
Habe ich letztens erst in der Werbung gesehen, da sind dann sogar Starrätsel drin mit Stars, die ich eh nicht kenne. Da kann man dann raten, wann Conny das erste Mal onaniert, Anna den Olli lieb gehabt, Peter so richtig geheult hat, ob Susi zum Araber geht, Dirk sich den Schniedel wäscht und all so einen Schwach-sinn eben, den die Welt nicht braucht.
Peter wieder: "Ich habe mich schon bei einem Fan-Club ange-meldet, obwohl ich ja viel lieber selbst einen gründen würde..."
Bei dem Wort Fan-Club allein wird mir kotzschlecht.

Da stelle ich mir dann so Bertas vor, die den ganzen Tag den Schreibtisch mit ihrem "vollschlanken" Körper erdrücken und herumtelefonieren, ob der Olli, der soooo süß ist, nicht mal "live" vorbei kommen möchte und seinen Fans einen feuchten Kuß auf die Wange drücken will.
Und dabei reibt sich Berta noch fester an ihren Schreibtisch...
Wer braucht Fan-Clubs? Das müssen Arbeitslose sein, die den ganzen Tag nichts zu tun haben und ihre Erfüllung darin entdek-ken, mit einem "Ich liebe Verbotene Klons"-Button durch die Supermärkte rennen und mit einem entzückten "Ah" vor dem Regal stehen bleiben, wo dann ihr Olli oder ihr Peter dumm grinsend von einem dieser Magazine glotzt und verspricht, mit einem Fan, der das Rätsel lösen kann, das Mega-Star-Rätsel mit aufklappbarem Großgrinsposter, zwei Fotos für das "Alle Stars für dich"-Album zu machen.
Da stehen sie dann also, all die arbeitslosen Frauen, im Super-markt und stellen sich vor, wie das wohl sein könnte, mit Olli nackt vor der Kamera zu posieren, einmal die Hand an seinen (Ist er wirklich so groß?)-Schniedel zu legen und sich die Hand nie wieder abzuwaschen. Immer nur noch mit einer Hand spü-len, kochen, bügeln, Arbeitslosenwartemarken ziehen. Immer nur noch mit einer Hand die Pralinen essen, den Freund befrie-digen, den Arsch abwischen...
Peter denkt da anders: "Diese Fan-Clubs sind wirklich klasse. Da wirste Mitglied für so `nen läppischen Betrag im Monat, sagen wir mal 100 Mark, und du kriegst dann immer die Maga-zine zugeschickt, bevor es die im Handel gibt. Jede Woche gibt es dann ein Fantreffen, bei dem wir uns austauschen können, weil, ich weiß, das passiert so gut wie nie, es manchmal so ist, daß man doch eine Folge verpaßt, und das ist echt richtig be-schissen, weil man dann überhaupt nicht mehr weiß, wieso der Olli am nächsten Tag im Krankenhaus liegt (natürlich so schön wie immer, halt nur im Koma) und warum die Susi plötzlich Alkoholikerin ist."
Aha, denke ich. Da treffen sich dann also jede Woche so ein paar arbeitslose Fans und diskutieren heiß in die Nacht hinein, wer denn nun der mit dem knackigeren Arsch ist und verschla-fen am nächsten Tag den Beratungstermin mit ihrem Arbeits-amttypen. Dem sagen sie dann, daß sie letzte Nacht nicht schla-fen konnten, weil sie ständig über ihre berufliche Zukunft nach-denken mußten, während sie tatsächlich eines der heimlichen Aktposter anfaßten, die es nur in der limitierten Auflage im Fan-Club gibt.
Die limitierte Auflage muß hoch sein...
Peter erzählt: "Ich habe da so einen Kissenbezug gesehen, da sind ALLE drauf. Kannst du dir das vorstellen, ALLE, wirklich ALLE!"
Nee, kann ich nicht, möchte ich nicht, bekäme ich Alpträume von, wenn ich auf meinem Kissen läge und wüßte, mein Kopf liegt da gerade auf so ´nem Haufen von verbotenen Klons, und dann würde ich mir eben vorstellen, ob die dann im Schlaf die Macht über mich bekommen, ich morgens aufwache und einer von denen bin.
Peter aber ist begeistert von den Kissenbezügen und erzählt weiter: "Und wie süüüüß die Zahnbürsten sind, da gibt es wel-che zum Aufschrauben, das ist dann der Kopf."
Irgendwie unlogisch, finde ich, denn auch mit Kopf sind sie nichts wert, die Zahnbürste aber schon.
Da steckt man sich also schon morgens so einen Olli rein (ich weiß, einige denken da bestimmt an was anderes), um einen besseren Geschmack zu kriegen im Mund. Partiee beim Zähne-putzen...
Peter: "Aber weißt du, was ich echt dreist finde? Die Klobür-sten!"
Das finde ich gut. Ich stelle mir so vor, wie dann so ein Olli mein Klo sauber macht, seine Beine ins Klowasser steckt und freundlich grinsend zuguckt, wie der ganze Scheiß an ihm vor-beizieht. Das finde ich richtig lustig und lache.
Peter ist beleidigt: "Mann, du nimmst mich überhaupt nicht ernst. Ich meine, das ist das Leben, was da abgeht, verstehste? Das passiert auch im wirklichen Leben!"
Aber wahrscheinlich nicht von 16.30 Uhr bis 20.15 Uhr. Da sitzt er schließlich zu Hause und geht gerade tierisch ab, weil das wirkliche Leben da ist, vor seinen Augen in der Glotze.

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